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Bullshit Jobs: Warum du deinen Job kündigen solltest

  • Autorenbild: Wolfgang Gründinger
    Wolfgang Gründinger
  • vor 3 Stunden
  • 4 Min. Lesezeit

Bullshit Jobs

Zu viele Menschen gehen einer Beschäftigung nach, die sinnlos ist. Sie bauen Präsentationen, die keiner sieht, verkaufen Produkte, die keiner braucht, erfinden "Innovationen", die es schon gibt.


Zu viele verschwenden ihr Talent für Dinge, die keiner braucht. 


Wenn du einen solchen Bullshit Job hast und du es kannst: Kündige. 


Und infiziere dich mit moralischer Ambition.


Moralische Ambition


Ihr müsst euch dazu ein sehr einfaches Modell vorstellen, das der niederländische Historiker Rutger Bregman in seinem Buch "Moralische Ambition" entwickelt hat:


  • Es gibt Menschen, die sind weniger oder mehr idealistisch.

  • Und es gibt Menschen, die sind weniger oder mehr ambitioniert.


Damit ist es ganz einfach, unsere Jobs und Tätigkeiten grob in 4 Kategorien zu unterteilen. Ich stelle euch einmal vier Prototypen dieser Kategorien vor, die ich bewusst etwas karikiere.

 


Typ 1: wenig ambitioniert und wenig idealistisch


Nennen wir ihn Louis.


Louis hat einen Bullshit Job.


Ein Bullshit Job ist eine Form der bezahlten Beschäftigung, die so sinnlos, unnötig oder schädlich ist, dass sogar die Beschäftigten selbst den Sinn ihrer Beschäftigung bezweifeln. Der amerikanisch-britische Anthropologe David Graeber prägte diesen Begriff mit seinem gleichnamigen Buch von 2018.


Louis...

  • kreiert Werbekampagnen, die nichts verändern

  • macht Meetings, die keiner braucht

  • wirbt für Nahrungsergänzungsmittel, die nichts bringen

  • und denkt den ganzen Tag darüber nach, wie man Menschen dazu bringt, auf eine Ad zu klicken


Mit hoher Wahrscheinlichkeit arbeitet Louis im Marketing. Da sagen über 20% aller in einer Studie befragten Beschäftigten, dass sie ihren Job selbst für sozial nutzlos finden.

 


Typ 2: idealistisch, aber wenig ambitioniert


Nennen wir sie Clara.


Clara ist aware und privilegienbewusst. Sie ist auf Tiktok und Insta, bei jeder Krise ist sie supercool, und folgt ihrem Traum als Influencerin.


Sie ist vegan, klar, auch wenn sie bei Austern eine Ausnahme macht. Wie man den Fleischkonsums in der Gesellschaft reduzieren könnte, dafür hat sie aber weder eine Idee noch einen Plan.


In Ihrem Gap Year zwischen Abi und Studium macht sie eine Weltreise, volunteered in einem Waisenhaus in Afrika und dokumentiert ihr Engagement auf Social.


Als Covid losbricht, postet sie den Hashtag „Stay Home“, backt Bananenkuchen in ihrer Altbau-Wohnung, und lässt sich privilegienbewusst von der Unterschicht der Wolt- und Amazon-Fahrer beliefern, während sie mit ihren „Follow your dream“-Strumpfhosen ein Zeichen für mehr Bewusstsein für Female Empowerment setzt.


Clara ist idealistisch, aber sie ändert nichts. Sie ist eine ambitionslose Lifestyle-Idealistin, die jede Krise für ihre Insta-Follower mitnimmt, sich aber zu fein ist für echte Veränderung.


Das Problem ambitionsloser Idealisten besteht darin, dass “Awareness” höher steht als handeln. Worte und Absichten sind wichtiger als Taten und Auswirkungen.

 


Typ 3: ambitioniert, wenig idealistisch


Nennen wir ihn Julius.


Julius ist High Performer oder mindestens High Potential. Work hard, play hard.


Er hat ein hohes Gehalt, fliegt Business, fährt Ski in Kitzbühel. Die Sinnlosigkeit seiner Arbeit kompensiert er mit wilden Geburtstagspartys auf Sylt und wilden Abendessen im Borchardt.


Andere sollen die Gesellschaft am Laufen halten. Ihn selbst geht das nichts an. Er hat den Style und das Geld.


Vielleicht ist Julius ein Startup-Gründer. Dann macht er mit dem Geld seiner VC-Freunde noch ein Start-up auf, das nach einem Jahr schon wieder weg ist, weil die mit KI gemixte Hautcrème oder das Zalando für Goldfische halt doch keiner braucht.


Manche idiotischen Startups werden irrigerweise sogar erfolgreich. „Liquid Death“ ist ein mit 1,7 Milliarden Dollar bewertetes Unternehmen, das Wasser in Alu-Dosen verkauft und dafür viel Geld verlangt.


1,7 Milliarden Dollar Firmenwert. Für Wasser in Dosen.


Stellt euch vor, was Julius hätte verändern können, wenn er sein Talent nicht für den x-ten Lieferdienst oder Wasser in Dosen genutzt hätte, sondern für etwas Sinnvolles – für die Erzeugung von Wasserstoff, oder für die Bekämpfung von Säuglingssterblichkeit, zum Beispiel.


Das ist pure Talentverschwendung.

 


Typ 4: idealistisch und ambitioniert


Das seid ihr.


Ihr braucht dafür keine moralischen Menschen sein. Denn ihr tut ja nicht Gutes, weil ihr moralische Menschen seid. Sondern es ist andersherum: Ihr werdet moralische Menschen, indem ihr Gutes tut.


Seid nicht bloß “aware”. Sondern tut etwas, das funktioniert.


Denkt von den Folgen deiner Handlung her, und nicht von den guten Absichten.


Ein Freund von mir ist Abgeordneter für die SPD im Brandenburger Landtag. Im Wahlkampf hatte er sich eine Liste von allen möglichen Leuten gemacht, mit denen er mal in Kontakt stand. Die rief er alle an. Darunter auch sein Autohändler.

Er fragte ihn: „Wen wählst du?“ – „Den von den anderen.“ – Da wusste er schon, dass er die AfD wählt.

Er fragte ihn: „Wer hat denn zwei Autos bei dir gekauft? Ich oder der?“

Und merkte, wie es im Kopf des Gegenübers einen Klick machte.

Er moralisierte nicht, er sagte nicht „Aber du kannst doch nicht….“. Sondern er lieferte ein Argument, das die erwünschte Wirkung erzielte.


Ich erinnere mich noch an die US-Wahl von George W. Bush gegen Al Gore im Jahr 2000. Al Gore fehlten nur exakt 537 Stimmen im wichtigen Swing State Florida, um die Wahl zu gewinnen und Präsident zu werden. Aber er verlor. Warum? Ralph Nader, ein linksprogressiver, unabhängiger Kandidat, sammelte knapp 100.000 Stimmen in Florida ein. Hätte er stattdessen Al Gore unterstützt, sähe die Welt heute anders aus. Sie wählten Nader, weil sie Gore für zu Mainstream hielten, und bekamen Bush.


Die Extremisten sind nicht so dumm. Der rechtsextreme Verschwörungsideologe Robert Kennedy Jr. gab 2024 seine eigene Kandidatur auf und unterstützte stattdessen Trump. Die Stimmen von Kennedy waren vielleicht die entscheidenden, um den Vorsprung von Trump zu sichern. “God spare me the Purists”, “Gott schütze uns vor den Puristen”, sagte Joe Biden damals im Jahr 2000 über Ralph Nader.


Das zeigt: Denkt an die Folgen eurer Handlung, nicht an eure Intention.



Was für ein Mensch möchte ich gewesen sein?


Viele, die diesen Text lesen, sind vermutlich privilegiert. Sie können sich ihren Arbeitgeber aussuchen, ihren Job mitbestimmen.


Aber privilegienbewusst zu sein und sonst nichts zu verändern, das reicht nicht.


Viele von uns haben die Freiheit, unseren Arbeitsplatz zu verlassen. Nicht alle, aber viele gerade hier!


Und wenn ihr euren Job gekündigt habt, geht woanders hin. Werdet moralisch ambitioniert!


Arbeitet für Organisationen, Institutionen oder Unternehmen, die einen Dienst an der Gesellschaft leisten. Ob bei der Bekämpfung der Klimakrise, der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, der Reduzierung der Armut in Deutschland oder weltweit.


Als systemrelevanter Beruf, als Solar-Monteurin, als Heizungsmechanikerin, als Busfahrerin, in der Kranken- und Altenpflege, als Ärztin oder als Lehrerin.


Ein Beruf, bei dem man jeden Morgen aufsteht, in den Spiegel schaut und weiß, wofür man das alles macht.


Und wo man weiß, was man für ein Mensch gewesen sein wird.

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