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AutorenbildWolfgang Gründinger

5 Trends der Arbeitswelt, auf die wir uns 2021 einstellen müssen

Aktualisiert: 9. Feb. 2021




1. Remote Work ist gekommen, um zu bleiben


Über Nacht haben während der ersten Covid-19-Welle im Frühjahr 2020 so ziemlich alle Unternehmen, wo es ging, die Präsenzkultur abgeschafft. „Remote“, also disloziert und virtuell von Zuhause oder unterwegs, wurde Standard. Die Anwesenheitskultur wird nicht wieder zurückkehren. Remote ist gekommen, um zu bleiben.


Warum ist das so? Erstens haben die Unternehmen erkannt, dass es funktioniert – und sogar unglaublich gut funktioniert. Vorher herrschte Misstrauen, dass die Beschäftigten faul und unproduktiv werden, sobald sie zuhause sind. Das Gegenteil hat sich bewahrheitet. Die Führung hat keine Ausreden mehr, den Beschäftigten das mobile Arbeiten zu verweigern, sofern es betrieblich grundsätzlich möglich ist.


Zweitens haben viele Unternehmen entdeckt, dass sie teure Mieten für Büroräume sparen können. Manche Start-ups haben ihre Büros ganz dichtgemacht und arbeiten nur noch mobil. Die Allianz hat angekündigt, ihre Büroflächen um ein Drittel zu reduzieren. Das kommt nicht mehr zurück.


Das hat auch Schattenseiten. Der Wegfall des informellen, zweckbefreiten Austausches bringt die Innovation zum Erlahmen. Viele Ideen entstehen an der Kaffeemaschine, beim Mittagessen oder beim Feierabendbier, also genau dann, wenn es Raum gibt für wildes Rumspinnen. Das wird nicht einfach zu ersetzen sein.


Und: Ein Team besteht mehr als nur aus Menschen, die gemeinsam arbeiten. Sondern aus Menschen, die sich vertrauen. Wie schaffen wir Vertrauen, wenn sich die Menschen nicht mehr offline sehen, sich umarmen und gemeinsam Kaffee trinken? Auch das braucht tatsächlich den physischen Kontakt.



2. Achtsamkeit drängt ins Core Business vor


Remote Work bedeutet auch: Die Menschen arbeiten zuhause länger und haben mehr Meetings. Das liegt daran, dass der Koordinationsaufwand steigt, wenn man nicht mal kurz so bei der Kaffeepause ein paar Dinge besprechen kann. Außerdem zählt nun nicht mehr nur die bloße Präsenz als Arbeitsnachweis: Die Leute fühlen sich gezwungen, nun umso mehr zu demonstrieren, dass sie nicht faul rumhocken. Sondern sie müssen nun an vielen Besprechungen teilnehmen, um ihren Arbeitswillen zu dokumentieren, und wirklich liefern statt bloß anwesend zu sein.


Die Entgrenzung von Arbeit und Privatem schlägt nun voll zu. Man ist immer bei der Arbeit, ohne Ende der Erreichbarkeit. Video-Meetings verbrauchen mehr Energie als offline, weil man immer in den Bildschirm starrt – die sogenannte „Zoom-Fatigue“. Dazu kommt die physische Isolierung von den Kollegen. Man sitzt einfach mehr zuhause rum.

Achtsamkeit war schon bisher ein Buzzword, das den Alltag auch in Unternehmen veränderte. Sie bezeichnet das bewusste Wahrnehmen des Hier und Jetzt, und umschreibt auch die Suche der Gesellschaft nach Kulturtechniken, um mit einer vernetzten, entgrenzten und digitalisierten Welt umzugehen.


Das Pandemiejahr hat diesen Trend nochmal beschleunigt. Achtsamkeit fand bisher nebenbei statt. Sie war eine individuelle Suche. Manchmal grätschten Gesetzgeber oder Betriebsrat rein, wenngleich mit oft unbefriedigenden Lösungen. In der Zukunft wird das anders sein. Immer mehr Arbeitnehmer fragen nach Achtsamkeit. Sie wollen nicht mehr durch Leistungserwartung und Abrufbarkeit ausbrennen, selbst wenn sie für die Sache brennen. Unternehmen entdecken Achtsamkeit als wichtiges Werkzeug, um Talente zu finden und zu binden, und das Humankapital ihrer Arbeitskräfte zu erhalten. Denn wer Burnout hat, sich nicht erholen kann oder kündigt, der leistet nicht.


Achtsamkeit wird daher künftig als Teil guter Führung und als Teil des Kern-Business begriffen werden – und nicht mehr als halb-esoterisches Add-on oder vom Gesetzgeber übergestülptes Korsett.






3. Führung wird dienend


Disloziertes, mobiles Arbeiten und hybride Formate werden jetzt erwartet und sind keine besondere Zugabe mehr. Das verändert auch die Führung. Die postpandemische Führung kann nicht die präpandemischen Prinzipien wie Präsenzkultur, Micromanagement und Kontrolle wieder auftischen. Das wird nicht funktionieren. Einen einmal erreichten Digitalisierungsgrad kann man nicht mehr zurückdrehen.


Führung in der Wissensarbeit muss „dienend“ sein: Sie hält den Leuten den Rücken frei und kümmert sich darum, dass sie ihren Job möglichst gut machen können. Da geht es zum Beispiel um Tools, mit denen Teams digital und disloziert kooperieren können. Das klingt für manchen vielleicht banal, aber oftmals werden funktionierende Lösungen, die man privat oder freiberuflich nutzt, in großen Unternehmen wegen Datenschutzbedenken blockiert. Ganz allgemein muss Führung dafür sorgen, dass die Menschen sich nicht mit Meta-Fragen stressen müssen, sondern dass sie ihren Job gut machen können.

Dazu gehört auch, dass die Führung den Arbeitnehmer als Menschen begreift und nicht nur als Vollzeitarbeitsäquivalent. Soziale Isolation, geteiltes Homeoffice mit dem Lebenspartner am Küchentisch, das Sorgen um die Kinder, die plötzlich auch „im Büro“ mit dabei sind und Aufmerksamkeit brauchen, all das gehört dazu. Ich erinnere mich, als Videokonferenzen in der ersten Welle plötzlich in der Breite Einzug hielten. Da machten sich die Leute noch zurecht, blendeten fancy Hintergrundbilder ein, oder setzten sich vor eine Bücherwand. In der zweiten Welle sah man, wie die Leute frisch aus dem Bad sich auf dem Handy zuschalteten, im bequemen Pulli und ungekämmt aus der Küche oder auf der Couch. Das ist ein guter Kulturwandel, denn wer schon zuhause arbeitet, der soll sich auch zuhause wohlfühlen dürfen. Und: Andere Menschen einen Einblick in seine Privatheit zu gewähren, und sich damit nahbar und verwundbar zu geben, schafft Vertrauen und Nähe, die man online sonst nur schwer stimulieren kann.


Ich habe lange noch den Satz gehört: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Aber wer mit Lenin führen will, der hat etwas in der Geschichte verpasst. Wer glaubt, seinen Mitarbeiter nicht vertrauen zu können, der hat seine Unternehmenskultur nicht im Griff und sollte sich erst mal an die eigene Nase fassen. Viel eher muss man darauf achten, dass die Leute im mobilen Arbeiten nicht zu viel arbeiten und zu sehr Stress haben, wenn sie den ganzen Tag nur noch am Küchentisch sitzen mit dem garantiert nicht-ergonomischen Stuhl und die Sonne gar nicht mehr sehen, weil sie kaum noch rauskommen. Künftig muss es heißen: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlechter.“


All das stand schon lange auf der Liste guter Führung, aber wird jetzt noch dringlicher. Nicht nur, damit die Arbeitswelt humaner wird, sondern auch, damit Wirtschaften überhaupt noch dauerhaft funktioniert.



4. Unternehmen müssen ihren Purpose verstehen


Die Fridays-for-Future-Bewegung hat seit 2019 auch die Wirtschaft berührt und eine neue Suche nach dem höheren Zweck eines Unternehmens, nach dem „Why?“ und nach dem „Purpose“, losgetreten. Viele Startup-Gründer, die sich bis dahin als unpolitisch begriffen oder zumindest ihr politisches Oeuvre nicht unbedingt offensiv feilgeboten haben, entdeckten Nachhaltigkeit oder Sinnstiftung als Businessidee. Das Pandemiejahr 2020 hat diesen Trend des Klimajahrs 2019 nochmals beschleunigt.


Unter dem Begriff „New Work“ wird der tiefere Sinn des Arbeitens schon seit Jahren debattiert, wenngleich als Sammelsurium für alle Diskussionen um die Zukunft der Arbeit. Aber „New Work“ ist keine Erfindung des Jahres 2020, sondern geht auf den österreichisch-amerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann zurück. Als in den 1980ern die Autowerke in Flint, Michigan, ihre Tore für immer schlossen und Zehntausende Menschen ohne Arbeit, ohne Perspektive dastanden, konfrontierte sie Bergmann mit der Frage: „What do you really, really want?“ Die Arbeiter brachen in Tränen aus. Noch nie hatte sich jemals irgendwer dafür interessiert, was sie wirklich, wirklich wollen. Für sie fühlte sich der Job an wie eine „milde Krankheit“: nicht so schlimm wie Krebs, eher wie eine Erkältung. Bis Freitag hält man das schon aus. Notfalls bis zur Rente.


Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt in dieser merkwürdigen Zeit dieser Begriff neu auflebt. Als Einzelne ebenso wie als gesellschaftliches Kollektiv stehen wir vor der Wahl: Fangen wir uns, nachdem einige seltsame Monate vorübergezogen sind, wieder die altvertraute Erkältung ein, die wir bis 67 nicht loswerden? Oder bauen wir unser Leben und unser Land um, stärken unser individuelles und gesellschaftliches Immunsystem gegen neue Krisen, und tun mehr von dem, was wir wirklich, wirklich wollen?

Für manche mag das eine Plattitüde sein. Ich bin mir dagegen sicher: Ich möchte auf dem Sterbebett nicht bereuen, die Hälfte meines Lebens mit Dingen verbracht zu haben, die ich nicht wirklich, wirklich wollte.






5. Die Generation Z verändert den Arbeitsmarkt


Alle Studien über die heutige Jugend, die vor dem März 2020 stattfanden, kann man ins Archiv legen. Denn die Pandemie hat alles verändert. Sie traf die Jugend hart: Die Schule fiel aus, die Uni wurde nur so halb ins Virtuelle verlegt, Prüfungen wurden verschoben, Auslandssemester abgesagt, Praktika gecancelt, der erste Job auf unbestimmte Zeit vertagt. Das prägt.


Was die bis dahin gemachten Studien über die Jugend von heute sagten: Die Generation ist spießiger, als wir glauben. Nicht alle wurden von Mama und Papa gehätschelt, nicht bei allen dreht sich die ganze Welt nur um sie. Die meisten wollen einfach nur einen sicheren Arbeitsplatz, Sinn und Spaß in der Arbeit, und genug Freizeit neben dem Beruf. Kurz: Sicherheit, Spaß und Sinn.


Mit der Krise nimmt die Priorität von Sinn und Sicherheit zu. Spaß stellt man hinten an.


Junge Menschen sind ungeduldig, zurecht. Unternehmen müssen eine Instant-Feedback-Kultur entwickeln. Führungskräfte müssen schneller Feedback geben, das Team einbeziehen und Freiraum für Ideen öffnen.


Junge Menschen wollen etwas verändern, und dank sozialer Medien und Internet können sie das auch. Sie sind organisiert, vernetzt, und informiert. Noch nie sprach eine Generation so gut Englisch, hatte so viel Potenzial für Kreativität, und so einfachen Zugriff auf Wissen und Kommunikationskanäle. Darauf müssen sich auch Unternehmen einstellen. Das hilft nicht nur bei der Generation Z, sondern wird ihnen auch bei älteren Mitarbeitern nützen.



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